Wie teuer kann die Tageszeitung werden?
Geld verdienen ist für viele Tageszeitungen mittlerweile ein schwieriges Geschäft. Unterstützung dabei bietet Dr. Sebastian Voigt, der schon 2020 als Speaker beim Medienhaus/NEXT/ dabei war. Er ist Partner bei der aus Axel Springer hervorgegangenen Unternehmensberatung „hy“ und Geschäftsführer der Tochtergesellschaft „hy Technologies“. Seit 15 Jahren beschäftigt er sich beruflich mit dem Thema Pricing und wird beim kommenden Medienhaus/NEXT/ Insights dazu geben, wie sich Preiserhöhungen im Medienumfeld erfolgreich umsetzen lassen. Im Kurzinterview gibt er erste Einblicke.
Herr Dr. Voigt, überall steigen derzeit die Preise und die Haushalte stellen ihre Ausgaben auf den Prüfstand. Das setzt auch die Verlagsbranche stark unter Druck. Sind es rabenschwarze Zeiten oder sehen Sie darin ebenfalls Chancen?
Die Chance für Verlage ist größer denn je, denn in Krisenzeiten werden Märkte neu verteilt. Außerdem gilt: Steigen die Preise "woanders" (und damit ebenfalls die Kosten im eigenen Haus), ist es fahrlässig, seine eigenen Preise nicht auch anzupassen. In den letzten zwölf Monaten gab es Preisanpassungen noch und nöcher. Nehmen wir doch mal DAZN: Die haben im Februar 2022 ihre Preise verdoppelt. Der Aufschrei war groß, die Zahl der Kündigungen überschaubar. Ein so profitabler Schritt, dass im Januar 2023 schon die nächste Erhöhung in Form einer neuen, differenzierten Preisstruktur folgte.
Inwieweit lässt sich dieses Modell auf Tageszeitungen übertragen, bei denen die Preiselastizität nicht sehr ausgeprägt ist?
DAZN hat seine starke Preiserhöhung damit begründet, dass sie in den letzten Jahren immer mehr Lizenzen gewinnen konnten. Zum Start im August 2016 bewarb DAZN vor allem die englische Premier League und kostete 9,99 € im Monat. Heute zeigen sie die UEFA Champions League, die Bundesliga, viele andere internationale Fußball-Ligen, aber genauso Inhalte aus NBA, NHL oder WWE. Eine vergleichbare Ausweitung des journalistischen Angebotes können vermutlich nur ganz, ganz wenige Tageszeitungen vorweisen. Von daher sehe ich beim einfachen Fortführen des Kerngeschäftes auch keine großen Produkt- oder Preisrevolutionen in der näheren Zukunft. Die spannendsten Produkt(r)evolutionen haben wir in den letzten Jahren vor allem dann gesehen, wenn Medienunternehmen mit extrem nischigen Angeboten eine (meist B2B-)Zielgruppe perfekt bedienen können: Politico in den USA oder Table Media in Deutschland sind gute Beispiele. Denn mit solchen Angeboten und journalistischer Exzellenz in einem sehr spitzen Feld schaffen es Verlage, das 20- bis 50-fache vom Preis eines Tageszeitungs-Abonnements zu veranschlagen.
Welche Rolle können Kundendaten bei Preiserhöhungen spielen?
Obwohl Verlagen, besonders bei ihren digitalen Abos, eine Unmenge an kundenindividuellen Daten zu Lesegewohnheiten und Demografie vorliegen, werden diese nur selten smart genutzt. Jedoch sind sie der Schlüssel zur Kundenbindung, denn mit dem richtigen Wissen über das, was der Kunde lesen und wissen will, kann ich ihn halten, indem ich mein redaktionelles Angebot auf ihn zuschneide und zum Beispiel die richtigen Artikel zur richtigen Zeit ausspiele. Wir alle verbringen viel zu viel Zeit mit Netflix, YouTube, Spotify und anderen Medienangeboten, weil diese uns passgenaue Vorschläge machen, was wir als nächstes konsumieren sollten. Verlage hingegen bieten allen Lesern die gleichen Inhalte an, begründet mit der redaktionellen Unabhängigkeit. Das mag dem klassischen Verlagsethos entsprechen, ist jedoch aus kommerzieller Sicht höchst suboptimal.
Und wie wichtig ist die Qualität? Wie viel ist gut recherchierter und aufbereiteter Content wert?
Meiner Meinung nach ist Qualitätsjournalismus unterbewertet und sollte viel teurer sein. Aus Russland, China oder sogar den USA kommen täglich – oft politisch motivierte – Falschmeldungen und Lügenpropaganda. Zusätzlich wird es für jeden Menschen mit fortschreitender Technologie immer schwerer, Fake News von der Wahrheit und Deep Fakes von Abbildern der Realität zu unterscheiden. Ich persönlich möchte mich auf die (deutschen) Medien und deren Protagonisten verlassen können und bin bereit, einen entsprechenden Preis zu zahlen.